Press room – ElektroRad 2024-06

 

HP Velotechnik in the news: the following text is an excerpt from the German magazine ElektroRad, issue 6/2024. We recommend to order the complete magazine from the publishing house to read the whole story.

Birdrace 2024

Mit Vogelstimmen ins Fahrradglück

ElektroRad 06 2024 Reportage Birdrace Scorpion fs 26 Enduro 1Einen Tag nur den Vogelstimmen lauschen. Und das nicht einfach so zum Spaß, sondern für die gute Sache. Wir waren im Göttinger Wald für das Birdrace unterwegs, mit Trike und Fernglas – immer auf der Suche nach möglichst vielen Vogelarten. Einblick in eine Naturschutz-Erfolgsgeschichte.

Halb drei Uhr morgens. Der digitale Weckersound vom Smartphone wirkt hier oben in der Schutzhütte im Wald etwas deplatziert. Es ist noch vollkommen dunkel. Lediglich die nahe Stadt strahlt ein bläuliches Licht in den Nachthimmel. Wenige Minuten später faucht bereits der Gaskocher. Die nächste Stunde investiere ich in Kaffee und Horchen. Denn es gibt einen guten Grund für den frühen Wecker. Das Birdrace 2024 hat begonnen.

Arten sammeln für den guten Zweck

ElektroRad 06 2024 Reportage Birdrace Scorpion fs 26 Enduro 2

Beim Birdrace dreht sich einen Tag lang alles um Vögel. Einzelpersonen und Teams in ganz Deutschland versuchen, innerhalb von 24 Stunden so viele Vogelarten wie möglich zu bestimmen. Die Regeln sind einfach: Das Birdrace findet am ersten Sonnabend im Mai von 0 bis 24 Uhr statt. Jede Person darf nur in einem Landkreis antreten. Das Anlocken von Tieren ist nicht erlaubt. Das Birdrace ist aber nicht nur ein Arten-, sondern auch Spendenrennen. Die Teams sammeln Daten, die wissenschaftlich genutzt werden können und Spenden, die der Citizen-Science-Plattform Ornitho zugutekommen, über 600.000 Euro seit 2004. Mehr als 50.000 Nutzer haben dort seit 2011 über 85 Millionen Vogelbeobachtungen eingegeben. Von Zufallsbeobachtungen bis zu systematischen Erfassungen. Längst wird die Plattform, die vom Birdrace-Veranstalter, dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) e. V. betrieben wird, für wissenschaftliche Monitoring- und Naturschutzprogramme genutzt. Hobby-Ornithologen, Ehrenamtliche und Profis arbeiten Hand in Hand.

Das Birdrace: Ein Festtag der Artenvielfalt

ElektroRad 06 2024 Reportage Birdrace Scorpion fs 26 Enduro 3Vögel haben diese Unterstützung leider nötig. Wie so viele Artengruppen haben sie in den letzten Jahrzehnten einen beispiellosen Bestandsverlust erlebt. Lebensraumverlust, Klimakrise und die industrielle Landwirtschaft sind die Hauptgründe für das Vogelsterben. Viele einstmals häufige Arten sind in den letzten 40 Jahren als Brutvögel in Deutschland ausgestorben. „Biodiversitätskrise“ nennen das Biologen. Jede Art ist kostbar. Deshalb ist das Birdrace auch ein Festtag der Artenvielfalt und Anlass, auf ihren Verlust hinzuweisen.

All das habe ich im Hinterkopf, als ich nachts meinen Kaffee schlürfe und lausche. Trotzdem gibt die Faszination schon lange den Ton an. 24 Stunden lang habe ich nichts anderes vor, als auf Vogelstimmen, Gesang, Rufe zu hören. Ein Auge in der Luft, eine Hand immer nah am Fernglas, das bedeutet für mich ganz tief Eintauchen in die Natur um mich herum. Und mit mir erleben knapp 3000 Birdracer in etwa 1000 Teams bundesweit dieselbe Begeisterung. Wir feiern jede neue Art, die wir sehen. 324 Vogelarten werden es am Ende des Tages bundesweit gewesen sein. Wow! Trotz allem. So viel Vielfalt!

„Huuh huuh huuh“ statt „po-po-PO-PO“

Meine Schutzhütte liegt auf einem kleinen Gipfel im Höhenzug des Göttinger Waldes. Ich bin am Vorabend hier herausgeradelt, um das Birdrace nachts im Wald zu beginnen. Ich möchte Eulen hören. Und tatsächlich. Schon kurz vor drei schallt der markante Ruf des Waldkauzes zu mir herüber. „HUUUUuh… hu“ wiederholt er monoton, ähnlich einem Holzblasinstrument. Die häufigste heimische Eule ist die erste Art, die ich heute bei Ornitho eintrage. Etwas später folgt die Waldohreule aus einer anderen Richtung. Ähnlich, aber kürzer. Das ist ein guter Start aber nicht ganz, was ich mir erträumt habe. Ich hoffe auf das schaurig schöne „po-po-PO-PO“ des Raufußkauzes. Die kleine Eule mit dem überraschten Gesichtsausdruck ist nahezu ausschließlich nachtaktiv. In den ausgedehnteren Waldstücken entlang der Weser oder im Harz ist sie heimisch. Hier wäre sie ein Zufallstreffer. Aber man darf ja noch hoffen!

Auf drei Rädern zurück ins Fahrradglück

ElektroRad 06 2024 Reportage Birdrace Scorpion fs 26 Enduro 4Als ich mich gegen drei Uhr dreißig in meinen Fahrradsitz setze, habe ich den Raufußkauz quasi aufgegeben. Wenn ich hier noch länger warte, verpasse ich andere Arten. Wait? „In meinen Fahrradsitz?“ Ja. Ich bin mit einem geländegängigen E-Trike von HP Velotechnik unterwegs. Doppelakku, vollgefedert, MTB-Bereifung, mit Lichtanlage, Schutzblechen und Gepäckträger. In den wasserdichten Ortlieb-Packtaschen sind mein Schlafzeug, viel Essen und die wertvolle Fernoptik untergebracht. Das Stativ, auf dem später am Tag das Fernrohr stehen wird, findet in einem speziellen Halter für Gehhilfen am Rahmen Platz. Und von der Gehhilfe bin ich zumindest symbolisch selbst nicht so weit entfernt. Nach einem schweren Mountainbikesturz im vorigen September und mehreren Schulteroperationen
ist das hier meine erste lange Fahrradtour. Die Vorfreude nach der langen Zwangspause ist riesig. Aber die mehr als 100 Kilometer und 1000 Höhenmeter, die ich heute kreuz und quer über Wald- und Feldwege durch den Landkreis Göttingen vorhabe, wären auf dem Aufrechtrad nicht drin gewesen: Die Belastung für die Schulter einfach noch zu groß.

Ein Fahrrad muss aber einfach sein fürs Birdrace. Ich nehme vom Fahrrad aus so viel von meiner Umwelt wahr und bin doch schnell und mobil. Vor allem Geräusche, aber ich sehe auch mehr Vögel. Vom dreirädrigen Liegerad aus gilt das gleich doppelt. Es ist wirklich verrückt, wie viel mehr ich sehe. Ich kann ohne Balanceprobleme ganz langsam fahren. Da fällt der Blick nach links und rechts leichter. Oder ich halte gleich ganz an und schaue ganz gemütlich im Sitz sitzend durch das Fernglas.

Dawn Chorus: Eine Geräuschexplosion nach der Vogelstimmenuhr

Gegen fünf Uhr halte ich an. Mein geplanter Track hat mich auf eine alte, etwas überwucherte Rückegasse geführt. Links eine Lichtung, rechts der dichte Buchenwald. Perfekt. Ich erwarte den „Dawn Chorus“. Der englische Begriff hat keine gute Entsprechung im Deutschen. „Sonnenaufgangskonzert“. Das sagt niemand. Aber es beschreibt genau, was in den nächsten Minuten passiert. Die Geräuschkulisse explodiert. Von der Dämmerung wie von einem Uhrwerk angetrieben, beginnt ein Vogel nach dem anderen zu singen. 4:51 Uhr: Amsel. 4:55 Uhr: Rotkehlchen. 4:59 Uhr: Kohlmeise. 5:08 Uhr: Singdrossel. In den nächsten zwanzig Minuten explodiert meine Artenzahl genauso wie die Geräuschkulisse. Quasi im Minutentakt kommen neue Arten dazu. Mönchsgrasmücke. Heckenbraunelle. Zaunkönig. Dann ein singender Sperlingskauz. Ich kann mein Glück kaum fassen. Ich weiß, dass die kleinste europäische Eule in diesem Wald vorkommt, aber jetzt im Mai ist ihre Balz lange vorbei und die Männchen haben kaum noch Grund zu singen. Als ich gegen 6 Uhr den Wald verlasse, steht mein Artenzähler bei 30.

Stadt, Land, Fluss

ElektroRad 06 2024 Reportage Birdrace Scorpion fs 26 Enduro 5Wer die Sache ernst nimmt, überlegt sich im Voraus eine Route, die viele verschiedene Lebensräume besucht: Wälder, Wiesen, Moore, Seen, Flüsse. Jedes Habitat hat andere Arten. Und so klappere ich auf meiner Tour die ganze landschaftliche Vielfalt des erstaunlich großen Göttinger Landkreises ab. Mit dem Liegerad komme ich schon nach der kurzen Eingewöhnung gut zurecht. Dank der zwei Vorderräder kann ich richtig schnell um Kurven fahren. Der Geradeauslauf ist exzellent und das nach vorne statt nach unten Treten schnell eingeübt. Und mit der tiefen Sitzposition fühlt sich Trike fahren wie Fliegen an. „Scorpion“, denke ich, ist gar nicht sooooo ein passender Name. Ich würde es „Swift“ nennen. Wie der Mauersegler, der mit 200 Stundenkilometern um die Häuser der Altstadt rast und dabei seine Freude in den Himmel schreit: „Sriiii, sriiiii, sriiii“. Die energetische Sanierung vieler Gebäude mit der Versiegelung ihrer Fassaden hat den Mauersegler viele Brutplätze gekostet. Das zunehmende Extremwetter mindert seinen Bruterfolg zusätzlich. In Göttingen mit seinen vielen denkmalgeschützten Fachwerkhäusern geht es ihm noch ganz gut. Mit etwa 125.000 Menschen ist die südniedersächsische Universitätsstadt eine kleine Großstadt mit einer erstaunlich artenreichen Stadtnatur. An nahezu jedem Kirchturm brüten Turmfalken. Aber auch der viel seltenere Wanderfalke lebt hier. Durch das Insektizid DDT in den 1980er Jahren noch so gut wie ausgestorben, erholen sich die Bestände in Deutschland langsam wieder. Eine kleine Naturschutz-Erfolgsgeschichte! Obwohl ich weiß, wo der schnelle Falke wohnt, sehe ich keinen. Schade, aber o.k. Tiere sind eben keine Maschinen, die berechenbar dort auftauchen, wo ich sie vermute. Dieselbe Enttäuschung wird sich übrigens noch mit Wasseramsel und Eisvogel wiederholen. Sage und schreibe sechs mir bekannte Reviere von beiden suche ich auf. Ohne Erfolg. Und irgendwann reicht es dann auch wieder mit der Stadtnatur und es geht zurück in den Wald. Als ich gegen Mittag die Stadt verlasse, steht meine Artenuhr bei 80.

Rettet den Wald. Schützt die Spechte!

Es geht bergauf in den Göttinger Stadtwald. Gute 250 Höhenmeter am Stück. Keine Welt, aber das einzige bisschen, das mit dem Liegerad doch noch ungewohnt ist. Beim Bergauffahren bemerke ich am stärksten, dass meine Muskulatur das Aufrechtrad gewöhnt ist. Egal. Hier hilft der Motor. Das Kerstlingeröder Feld ist eine ca. 200 Hektar große Freifläche mitten im Wald. Im Mittelalter gerodet, später als Truppenübungsplatz genutzt, ist es Lebensraum für viele seltene Tiere und Pflanzen. Und es ist Heimat für gleich sechs Spechtarten. Ich will sie heute alle antreffen. Bunt-, Grün- und Schwarzspecht hatte ich bereits in den frühen Morgenstunden gesehen und gehört. Aber Wendehals, Grau- und Mittelspecht fehlen mir noch. Man kann sein Glück nicht zwingen, denke ich und nehme auf einer besonders günstig gelegenen Bank im Naturschutzgebiet Platz für ein Picknick. Und schon singt hinter mir ein Grauspecht. Spechte sind Anzeiger für gesunde Wälder mit einem natürlichen Mix junger, alter und toter Bäume, in die sie ihre Höhlen schlagen. Diese Höhlen werden wiederum Lebensraum für andere Tierarten von Eulen über Siebenschläfer bis zu Eichhörnchen. Bestimmte Spechtarten fressen sogar den Albtraum der Forstwirtschaft, den Borkenkäfer.

Zum Auge des Eichsfeldes

Einige wichtige Stationen stehen immer noch auf meiner Birdrace-Reise. Der kleine Bio-Dorf- und Hofladen im beschaulichen Waake zum Beispiel. Ohne eine echte Pause ist so ein Vogelmarathon nämlich nicht durchzuhalten. Die Betreiber gehörten vor ca. dreißig Jahren zu den ersten Bio-Bauern der Region. Kaffee, Limo, belegte Brote, Süßgebäck, Eis, Obst, Schokolade, Fenchel und Möhrchen schaufele ich in einem wilden Durcheinander in mich hinein. Danach geht es weiter zum Seeburger See – auch „Auge des Eichsfeldes“ genannt. Die größte Wasserfläche im Landkreis wird von einem Schilfgürtel umgeben. Der sommerliche Bade- und Tretbootrummel hat noch nicht eingesetzt. So ist der See ein gutes Habitat für Wasservögel genauso wie für Singvögel, die die Ruhe lieben. Manchmal kann man hier sogar eine Rohrdommel mit ihrem Nebelhorn-artigen Ruf hören. Sehen tut man die Meisterin der Tarnung im dichten Schilf kaum. Heute allerdings höre oder sehe ich keine Rohrdommel. Dafür feuert ein Rohrschwirl seine maschinengewehrartigen Klangsalven aus dem dichten Schilf.

Überall Leben!

ElektroRad 06 2024 Reportage Birdrace Scorpion fs 26 Enduro 6

Vom Seeburger See geht es durch eine kleine Furt weiter zum Seeanger. Hier will ich den Abend und die Dämmerung verbringen. Der Seeanger ist ein wiedervernässtes Niedermoor, eines der artenreichsten Gebiete der Region und eigentlich meine einzige Chance, Limikolen zu sehen. Diese Watvögel sind hier in Mitteldeutschland nur auf dem Zug in ihre Brutgebiete zu Gast. Sie rasten gern in Flachwasser- und Schlickgebieten. Und das ist natürlich kein Geheimnis. Ich treffe gleich mehrere andere Birdrace-Teams. Etwa zu zehnt stehen wir oberhalb des Seeangers und helfen uns wie in einem großen Team: „Habt ihr schon das Blaukehlchen dort hinten im Raps gesehen?“ „Nein! Dankeschön! Und ist dir die einzelne Knäkente im Trupp der Krickenten aufgefallen? Da hinten im Wasser hinter den überfluteten Weidezaunpfählen schwimmt sie!“ Ich freue mich wie viele Menschen doch diese Faszination, Natur ganz intensiv zu beobachten, mit mir teilen und denke an den alten NABU-Slogan: „Man schützt nur, was man kennt und liebt“. Zu lieben gibt es viel. Selbst im totgespritztesten Giftraps ist noch Leben. Verrückt, wenn man darüber nachdenkt!

Ende gut, alles gut!

Im allerletzten Licht rase ich zurück nach Göttingen. Das Tempo sinkt kaum unter die 25 km/h bis zu denen der Motor mich unterstützt. Als ich in Göttingen einrolle, stehen 119 Kilometer und 1400 Höhenmeter auf dem Digitaltacho. Ich bin voller Euphorie über das doppelt gelungene Birdrace: Meine Rückkehr aufs Rad und die vielen Tiere. Der Tag soll enden wie er begann: mit einer Eulenart in der Dunkelheit. An einem Göttinger Kirchturm brütet in diesem Jahr ein Uhu-Paar. Auch die größte aller Eulen hat entdeckt, dass die Nähe zum Menschen neben Störung und Gefahr auch Schutz bedeuten kann. Etwa anderthalb Stunden habe ich mir für den Uhu noch eingeräumt. Dann ist es 24 Uhr und das Birdrace endet. Doch solange muss ich nicht warten. Nur etwa eine Viertelstunde später ruft der riesige Vogel von der Spitze des Kirchturms schaurig in die Nacht hinein: „Oo-Hu“! Art Nummer 117. Klappe. Bett!
ARNE BISCHOFF
FOTOS: LUKA GORJUP

Epilog & Disclaimer: Das Fahrrad

Das Trike namens HP Velotechnik Scorpion fs 26 Enduro hat überall, wo ich mit ihm anhielt, für Staunen und Begeisterung gesorgt und mir viel Freude gemacht. Dank Konfigurator konnte ich das Testrad genauso ausstatten, wie ich es für mein Birdrace brauchte. Schlechtwegetauglich mit großer Akkukapazität, starkem Licht und vielen Gepäcktransportmöglichkeiten. Inzwischen ist das Rad beim Hersteller zurück. Herzlichen Dank an die Firma HP Velotechnik für die unkomplizierte Leihe und den Pressedienst-Fahrrad für die großzügige Birdrace-Spende.